Alois-Rainer-Zufall?
Informationsblockade, politische Doppelmoral und die letzten Zuckungen eines Systems, das längst am Ende ist.
Es beginnt mit einer simplen Anfrage: Am 9. Mai will die Verbraucherorganisation Foodwatch wissen, wie es um die lebensmittelrechtlichen Zustände in der Metzgerei von Alois Rainer steht – CSU-Mann, Bundesminister für Ernährung und Landwirtschaft, also verantwortlich für das, was in diesem Land auf die Teller kommt. Sechs Tage später erfährt Rainer von der Anfrage. Weitere sechs Tage später meldet er den Betrieb ab.
Ein Betriebssterben aus Überzeugung? Oder schlicht eine Flucht vor Transparenz?
Foodwatch will vor Gericht ziehen – das Landratsamt Straubing-Bogen weigert sich, die Berichte der letzten fünf Jahre herauszugeben. Und nun, da der Betrieb abgemeldet ist, gibt es laut Gesetz auch keinen Anspruch mehr auf Information. Selbst der angeschlossene Gasthof fällt aus der Auskunftspflicht, weil er nun angeblich „nur noch für Veranstaltungen“ geöffnet wird – von Rainers Sohn.
„Kaum fragt Foodwatch an, macht Minister Rainer seine Metzgerei dicht und verhindert so die Herausgabe der Kontrollberichte – das wirft Fragen auf“, sagt Foodwatch-Geschäftsführer Chris Methmann. Man möchte ergänzen: Es beantwortet auch welche.
Denn diese Geschichte ist mehr als ein Provinzskandal. Sie steht exemplarisch für ein System, das sich mit aller Kraft gegen Transparenz wehrt – und gegen Veränderung. Während immer mehr Menschen hinterfragen, was und wen sie eigentlich konsumieren, während industrielle Tierausbeutung, Klimakrise und antibiotikaresistente Keime längst Teil jeder ernsthaften Debatte sein müssten, blockieren Behörden und Ministerien Informationen über die einfachsten Fragen: Hygiene. Haltung. Verantwortung.
Alois Rainer war Metzger – und wurde Landwirtschaftsminister. Die Übergänge sind fließend, im wörtlichen wie im politischen Sinn. Dass jemand, der für eine ganze Branche Politik macht, selbst Teil eben dieser Branche war, ist kein Nebenaspekt. Es ist ein Interessenskonflikt. Und zwar einer, der ganz konkret über Leben und Tod entscheidet – über Tiere, über Arbeiterinnen, über Verbraucherinnen.
Dass die letzte Kontrolle in Rainers Betrieb genau am Tag der Abmeldung stattfand, wird vom Ministerium als Zufall dargestellt. Beanstandet wurde offenbar wenig – ein paar Einmalhandtücher, ein Gewürzbehälter. Aber wie soll man das überprüfen, wenn nichts veröffentlicht wird? Wie soll eine Gesellschaft Verantwortung übernehmen, wenn selbst Kontrollberichte zur Geheimsache erklärt werden?
Dass ausgerechnet ein Minister, der angeblich für „Verbraucherschutz“ steht, der Öffentlichkeit jede Information verweigert, ist kein Betriebsunfall – es ist Ausdruck eines politischen Selbstverständnisses, das sich vor allem selbst schützt. Und das tief verankert ist in einer Agrarpolitik, die lieber weiter auf Tierausbeutung, Fleischlobby und Exportrekorde setzt, statt sich ehrlich zu fragen, was eine gerechte, zukunftsfähige Ernährung überhaupt sein könnte.
Rainers Metzgerei ist Geschichte. Gut so. Aber nicht, weil jemand Einsicht gezeigt hätte. Sondern weil es bequemer war, den Laden dichtzumachen, als sich kritischen Fragen zu stellen. Das sagt viel über den Zustand dieser Branche. Und noch mehr über die, die sie vertreten.