Es war ein kühler, feuchter Winterabend in Paris, als sich Dutzende junger Menschen im Kulturverein der türkischen Gastarbeiter (ACTIT) versammelten. Gedämpftes Licht, Gespräche in verschiedenen Sprachen, der Geruch von Tee und Rauch. Die sozialistische Jugendorganisation Young Struggle hatte zum Filmabend geladen. Ein Dokumentarfilm über Widerstand gegen autoritäre Regime sollte gezeigt werden. Was als friedlicher Bildungsabend begann, endete in brutaler Gewalt.
Gegen 21 Uhr stürmten etwa 30 maskierte Männer das Gebäude. Sie waren mit Schlagstöcken, Messern und Pfefferspray bewaffnet. Innerhalb von Sekunden wurde der Raum zum Schlachtfeld. Schreie, splitterndes Glas, Tritte gegen am Boden Liegende. Die Angreifer hinterließen Sticker mit dem Keltenkreuz, einem Symbol der Neonaziszene, und Logos der faschistischen Organisation Kob Veille. „Wir hatten keine Chance. Sie wussten genau, wo sie zuschlagen mussten“, berichtet eine Augenzeugin, die aus Angst um ihre Sicherheit anonym bleiben will.
Die Bilanz des Angriffs: Mindestens zwei Schwerverletzte, darunter ein Aktivist des französischen Gewerkschaftsbundes CGT, der mit Stichwunden ins Krankenhaus eingeliefert wurde. Er ist weiterhin in kritischem Zustand. Die Polizei erschien erst, als die Angreifer bereits geflüchtet waren.
Dieser Angriff ist kein isoliertes Ereignis. In den letzten Jahren hat sich die Gewalt von extrem rechten Gruppen in Europa verstärkt. Besonders in Frankreich, wo der Rassemblement National unter Marine Le Pen den Diskurs verschiebt, fühlen sich neofaschistische Gruppen ermutigt, ihre Angriffe auf migrantische und linke Strukturen zu intensivieren. „Diese Gewalt ist die direkte Folge einer Politik, die Rassismus und Autoritarismus normalisiert“, erklärt der Historiker und Antifaschismus-Forscher Jean-Yves Camus.
Young Struggle kündigte bereits Konsequenzen an: „Wir haben solchen Angriffen nie nachgegeben und werden es auch nie tun! Die Jugend bleibt standhaft!“ Doch die Frage bleibt: Wie viele dieser Angriffe müssen noch geschehen, bevor der Staat endlich handelt?
Antifaschistische Gruppen rufen nun zu erhöhter Wachsamkeit und verstärkter Organisierung auf. Denn wenn Faschisten sich wieder trauen, in Metropolen wie Paris mit Waffen gegen politisch Andersdenkende vorzugehen, ist das nicht nur ein Angriff auf die Betroffenen, sondern auf die Grundpfeiler einer demokratischen Gesellschaft. Die Antwort darauf kann nur Widerstand sein – entschlossen, solidarisch und unnachgiebig.