Bürgergeld: Leben unter der Armutsgrenze
Wie der Staat Armut organisiert – und sie „Daseinsfürsorge“ nennt
Deutschland, Herbst 2025. Während die Regierung Merz Milliarden in Aufrüstung pumpt und Steuererleichterungen für Konzerne feiert, frieren Millionen Menschen im eigenen Land. Das sogenannte Bürgergeld – der Mindeststandard der kapitalistischen Fürsorge – reicht hinten und vorne nicht. Es soll zum Überleben reichen, nicht zum Leben. Der Paritätische Gesamtverband hat am Freitag neue Zahlen veröffentlicht, die zeigen, was längst jede*r Betroffene weiß: Das System ist gewollt unmenschlich.
Mehr als die Hälfte der Menschen im Bürgergeldbezug kann defekte Möbel nicht ersetzen. Ein Drittel kann sich keine neue Kleidung leisten. Jede zweite Person isst nicht einmal jeden zweiten Tag eine warme Mahlzeit. Für rund ein Fünftel ist es Luxus, die Wohnung ausreichend zu heizen oder ein zweites Paar Schuhe zu besitzen. Und das in einem der reichsten Länder der Erde.
»Es ist ein Skandal, dass Millionen Menschen nicht einmal das Nötigste haben«, sagt Joachim Rock vom Paritätischen Gesamtverband. Doch Skandal ist zu harmlos. Was hier passiert, ist strukturelle Gewalt – politisch gewollt, ökonomisch funktional, moralisch verrottet.
Die Logik dahinter ist alt: Die Regierung hält die sogenannte „industrielle Reservearmee“ – Erwerbslose, Prekäre, Ausgebrannte – so knapp über der Überlebenslinie, dass sie als Drohung für alle anderen taugen. Damit der Druck auf die Löhne bleibt. Damit niemand auf die Idee kommt, sich zu widersetzen.
Die Zahlen zur Ernährung zeigen, wie brutal diese Armut wirkt: Nur ein Zehntel der Befragten glaubt, sich gesund ernähren zu können. Über die Hälfte der Eltern verzichtet auf Essen, damit ihre Kinder satt werden. Und während die Preise für Milch, Fleisch, Obst und Eier weiter explodieren, gibt es bei den Regelsätzen Nullrunden. Das ist kein Versehen, das ist Klassenpolitik.
Das Statistische Bundesamt meldet: Fünf Millionen Menschen können ihre Wohnung nicht ausreichend heizen. Die von Jobcentern festgelegten „Kosten der Unterkunft“ decken in vielen Städten längst nicht mehr die realen Mieten. Wer seine Bude behalten will, spart an Essen, Wärme, Gesundheit. Und wer beim Jobcenter einen Termin verpasst, soll nach den neuen Plänen der Regierung bald wieder komplett sanktioniert werden – also: gar kein Geld mehr.
Das ist kein Sozialstaat. Das ist Verwaltung von Armut im Dienst der Besitzenden. Die Rede vom „nicht mehr finanzierbaren Sozialstaat“ ist schlicht eine Lüge. Gemessen am Bruttoinlandsprodukt stagnieren die Ausgaben. Die Regierung Merz könnte Armut beenden – sie will es nicht. Sie braucht sie.
Weil Armut gefügig macht. Weil Angst diszipliniert. Weil die kapitalistische Ordnung nur funktioniert, wenn jemand unten bleibt.