„Die greifen nicht mich an – sie greifen meine Meinung an“
Lasko Schleunung über rechte Gewalt, linke Verantwortung und den Jugendkampf von morgen
TW: rechte Gewalt | Polizei | Repression
Es ist früher Morgen. Die Straßen noch still, der Himmel wolkenverhangen. Ich sitze im ICE, übernächtigt, der Kopf voll mit Projekten, To-dos, Gedanken, die sich nicht abschalten lassen. Ich bin auf dem Weg nach Lichtenberg, zu einem Treffen mit Lasko Schleunung. Schüler, Bürgerdeputierter, Sprecher der Linksjugend ['solid] in Lichtenberg – und gerade mal 18 Jahre alt. Lasko steht nicht einfach am Rand. Er greift ein, mischt sich ein, hält dagegen. Das hat Konsequenzen. Rechte Gewalt, Morddrohungen, Angriffe. Trotzdem macht er weiter.
Wir treffen uns vor einem kleinen Café, irgendwo zwischen Altbau und Parkanlage. Lasko raucht eine Zigarette, ruhig, aufmerksam, klar im Blick. Wir quatschen ein bisschen, lernen uns kennen. Im Gespräch ist sofort spürbar: Hier spricht niemand in Parolen. Er sagt, was er denkt. Und er hat viel erlebt, worüber andere nicht mal sprechen möchten.
Ich frage nach dem Angriff. Der letzte liegt keine zwei Wochen zurück. Es war spät am Abend, fast Nacht, Lasko telefoniert noch mit einem Genossen, auf dem Weg nach Hause. Eine Gestalt taucht auf. Verfolgt ihn. Er versucht, sie loszuwerden, läuft in einen Park. Es scheint geklappt zu haben. Doch plötzlich kommt von hinten ein Fahrrad angerast. Ein Schlag auf den Hinterkopf. Alles geht so schnell. „Ich glaube, ich hab den schon mal gesehen“, sagt Lasko. Ob es ein bekannter Fascho war? Vielleicht. Sicher ist: Die Polizei wirkte desinteressiert. Als sei das ein Bagatelldelikt. Erst das LKA nahm den Fall ernst. „Also so ernst, wie man’s bei der Polizei halt erwarten kann“, sagt Lasko mit einem leichten Lachen.
Nur Tage später folgt der nächste Vorfall. Diesmal verbal. „Dich linke Zeckenfotze sollte man aufhängen“, schreit ein Mann auf der Straße. Ich merke, wie mein Magen sich zusammenzieht. Ich sage, dass ich ähnliche Erfahrungen gemacht habe – wie sehr einen diese permanente Bedrohung auffressen kann. Lasko nickt. „Ich frag mich abends oft: Warum ich? Aber eigentlich weiß ich’s. Die greifen nicht mich an. Die greifen meine Meinung an.“
Wir reden über das Klima im Osten. „Ich versteh die Wut“, sagt er. „Ich bin auch wütend. Aber das nutzen die Rechten. Die Reichen. Die Konservativen. Die, die nichts verlieren, befeuern das alles.“ Er meint die AfD, aber auch Springer, Merz, die Typen im feinen Zwirn, die mit der Angst der Leute Politik machen.
Lasko selbst steht für eine andere Politik. Er ist engagiert in der Partei, im Kiez, in der BVV. Wir kommen auf das Image der Linken zu sprechen. „Ich kann nicht verstehen, warum man uns als SED 2.0 bezeichnet. Ich such immer noch die SED-Millionen – die hätten wir im Wahlkampf echt brauchen können.“ Wir lachen kurz. Nicht, weil es lustig ist. Sondern weil es manchmal das Einzige ist, was hilft. Ernst bleibt es trotzdem. Der Osten hängt zurück, sagt Lasko. Strukturell, ökonomisch, politisch. Die Wiedervereinigung? Gab’s nur auf dem Papier. In vielen Schulen fehlt die politische Bildung, rechte Netzwerke haben leichtes Spiel. Bei ihm an der Schule gibt es acht, neun Faschos. Sie sind gut vernetzt, vom III. Weg. Die machen Kampftraining auf einem Sportplatz in der Nähe.
Ich frage nach seiner Familie. Ob sie Angst haben. Ob sie ihn unterstützen. „Klar haben die Angst. Aber sie sind auch stolz.“ Er erzählt von Nachrichten, in denen Leute schreiben, dass er sich wegen seines Urgroßvaters – angeblich bei der SED – aus der Politik raushalten soll. Er hat diesen nie getroffen. Das interessiert aber niemanden, der hetzt. Es geht nicht um Fakten. Es geht darum, Menschen zum Schweigen zu bringen. Lasko schweigt nicht.
Ich frage ihn, wie er auf die nächsten Jahre blickt. Auf Deutschland, auf die Jugend, auf den Kampf. „Es kommen dunkle Zeiten“, sagt er ruhig. „Wie in den 90ern. Die Rechten werden mehr. Wir auch, aber sie noch mehr. Es wird ein Jugendkampf.“ Und dann sagt er den Satz, der bleibt: „Wir brauchen ein AfD-Verbot. Ganz dringend.“ Er glaubt, dass es bald Neuwahlen geben wird. Und dass es dann darauf ankommt, wie klar und laut wir sind.
Lasko vertraut nicht nur auf Parteien. Er ist eng vernetzt mit Antifa-Strukturen in Lichtenberg und ganz Berlin. „Hier funktioniert die Orga“, sagt er. Ich nicke. In Sachsen sieht das anders aus. Aber Lasko bleibt nicht stehen. Alle zwei Wochen gibt es Demos. Sichtbarkeit. Präsenz. Und bald kommt etwas Neues, ein neues Format. Noch darf er nichts verraten. Nur so viel: „Es wird gut. Wir kommen rum.“
Am Ende dieses Morgens bleibt in mir etwas zurück, das größer ist als Respekt. Es ist das Gefühl, dass hier jemand kämpft, nicht für sich, sondern für uns alle. Kein Held, kein Opfer. Sondern ein junger Mensch mit Haltung. Und der festen Überzeugung: Wir dürfen nicht leise werden. Wir müssen lauter werden.