Sie nennen es „Verantwortung“, doch was da im Konrad-Adenauer-Haus verhandelt wird, ist vor allem eines: Machtpolitik unter Ausschluss der Öffentlichkeit. SPD und Union sind sich fast einig – über Renten, Migration, Atomkraft. Klingbeil und Merz spielen große Koalition, während ihre Parteien vor innerer Zerreißprobe stehen.
Kompromisse aus Kalkül
Die Gespräche laufen offiziell in einer „19er-Gruppe“. Doch am Ende entscheiden zwei Männer: Merz und Klingbeil. Der CDU-Vorsitzende, der noch vor wenigen Jahren gegen jede Form von Schwarz-Rot wetterte, gibt sich plötzlich staatstragend. Der SPD-Vorsitzende, der seine Partei gerne als progressiv verkauft, will nun ausgerechnet mit dem konservativsten Kanzlerkandidaten seit Helmut Kohl regieren.
Noch sind Renten- und Steuerfragen offen – doch die Richtung ist klar: Die Reichen dürfen aufatmen, die Ärmsten hoffen vergeblich. Die SPD fordert etwas höhere Steuern für Topverdiener, die Union will im Gegenzug den Soli für Spitzenverdiener streichen. Das nennt sich in Berlin Kompromiss – im Rest der Republik ist es Umverteilung von unten nach oben.
Rente, Atomkraft, Migration – die alte Koalition mit neuen Lügen
Die SPD klammert sich an das Rentenniveau von 48 Prozent. Die Union sieht „Beitragsrisiken“ – als wären Rentner*innen das eigentliche Problem dieser Gesellschaft. Und dann ist da noch die Atomkraft: Während sich halb Europa von dieser Technologie verabschiedet, träumt die Union von einer Reanimation der abgeschalteten Reaktoren. Ausgerechnet in einem Jahrzehnt, das Klimagerechtigkeit, Energiewende und soziale Sicherheit bräuchte, wird über Rückschritte verhandelt – und die SPD schaut weg.
Auch bei der Migrationspolitik ist der „Durchbruch“ offenbar gelungen. Übersetzt: Mehr Abschottung, weniger Bleiberecht, härtere Gangart gegen Schutzsuchende. In Zeiten rechter Brandstifter und rassistischer Mobilisierungen ist das ein politisches Signal, das gefährlicher kaum sein könnte.
Die Koalition der Machtvergessenen
Was hier entsteht, ist nicht das Ergebnis demokratischer Leidenschaft oder inhaltlicher Nähe. Es ist der kleinste gemeinsame Nenner zweier Parteizentralen, die vor allem eins eint: die Angst vor Neuwahlen – und vor der eigenen Basis. Merz und Klingbeil müssen liefern, um nicht selbst geliefert zu werden. Und so entsteht eine Koalition aus Erschöpfung, Erpressung und Ehrgeiz.
Schwarz-Rot ist nicht die Lösung – es ist das politische Symptom einer Republik im Selbstlauf.
[dpa]