Die große Imagepolitur
"Ich bin mit Fynns Videos groß geworden – doch sein Comeback zeigt mir nur, dass er nichts gelernt hat."
Fynn Kliemann ist zurück. Drei Jahre nach dem Skandal, der sein sorgfältig aufgebautes Image in Schutt und Asche legte, steht er in einer ARD-Dokumentation wieder vor der Kamera. Die Inszenierung ist groß, fast pathetisch: Kliemann als gefallener Held, der von Hass im Netz und der Schwere seines Absturzes erzählt, während um ihn herum Fans in einem Leichenwagen sein neues Album feiern, das prompt an die Spitze der Charts springt. Es ist das Comeback eines Mannes, der einmal für Authentizität stand – und daran zerbrach, dass eben diese Authentizität zur Ware wurde.
Ich erinnere mich noch, wie ich mit seinen Videos aufgewachsen bin. Das Kliemannsland war für mich ein Ort, an dem alles möglich schien – eine Spielwiese für Kreativität, für den Traum, Dinge anders zu machen. Kliemann war mein größtes Vorbild, der Typ, der alles konnte. Und dann kam dieser Skandal. Die Masken, die angeblich fair produziert waren und doch aus den Werkhallen in Bangladesch stammten. Der Moment, in dem sich zeigte, dass auch er nur einer ist, der aus dem eigenen Image Kapital schlägt. Für mich war das der erste Bruch mit einem Idol – ein Moment, in dem ich verstand, dass niemand unantastbar ist, dass auch die „Helden“ im Dreck stehen.
Die Doku erzählt von Kliemanns Leid, aber sie erzählt nicht wirklich von Verantwortung. Wenn er sagt, er müsse „das wieder irgendwie aufarbeiten“, bleibt das eine leere Formel. Denn im Kern tut er, was er immer tat: Musik, Kunst, Heimwerken. Alles wie früher – nur mit dem Zusatz, dass er jetzt der Geläuterte sein will. Aber Geläuterung bedeutet mehr als das eigene Narrativ zu polieren. Sie bedeutet, Verantwortung klar zu benennen, Fehler ohne Ausflüchte einzugestehen und Taten folgen zu lassen. Genau das bleibt aus.
Für mich wirkt die Doku wie eine astreine Imagepolitur. Ein aufwendig inszeniertes „Bitte liebt mich wieder“. Doch ich bleibe enttäuscht. Ich kann ihm nicht abnehmen, dass er sein Handeln ernsthaft reflektiert hat. Stattdessen sehe ich einen Mann, der das gleiche Spiel spielt wie zuvor, nur diesmal mit dem Label „Reue“ als Marketingstrategie. Was ich mir wünsche, ist kein Chart-Erfolg und kein Leichenwagen-Spektakel, sondern eine echte Auseinandersetzung. Ein ehrlicher Talk, der weh tut, weil er zeigt, dass Verantwortung mehr ist als ein Lippenbekenntnis.
Kliemann konnte immer alles. Aber ob er auch Veränderung kann – das bleibt nach dieser Doku mehr als fraglich.