Sie standen vor einer Brache. Vor Mauern, die einst Geschichten erzählten – jetzt erzählen sie vom Abriss, vom Stillstand, von der Preisgabe des Öffentlichen. Kraftklub spielten ein Überraschungskonzert vor dem geschlossenen Schauspielhaus in Chemnitz, während ringsum gefeiert wird, dass die Stadt Kulturhauptstadt Europas ist. Der Kontrast hätte kaum größer sein können.
Der Titel ihres neuen Albums – „Sterben in Karl-Marx-Stadt“ – ist dabei weit mehr als ein Bandname oder ein PR-Stunt. Er ist Diagnose und Hilferuf. Denn das, was dort stirbt, ist nicht nur eine Theaterfassade. Es ist die politische Entscheidung, dass Kultur, Jugend und soziale Infrastruktur in Krisenzeiten verzichtbar sind.
Die Bilder des Abends findest du hier:
Das Schauspielhaus in Chemnitz ist nicht einfach nur ein Haus. Es ist ein Symbol für eine Gesellschaft, die den Rückzug des Staates aus der Verantwortung inszeniert – unter dem Deckmantel von „Haushaltsdisziplin“ und „Schuldenbremse“. Dass gerade im Jahr der Kulturhauptstadt das zentrale Haus für Theater, Ausdruck und Begegnung verfällt, ist kein Zufall, sondern Folge einer Logik, die Kultur zur Kulisse macht – und nicht zum Raum für Veränderung.
„Manche Kommunalpolitiker hätten ein Interesse daran, dass Rückzugsorte für alternative Jugendliche verschwänden“, sagte Felix Kummer von Kraftklub. Er hat recht. Was da als „Sparen“ verkauft wird, ist oft ideologisch motivierter Kulturkampf von rechts: gegen Jugendzentren, Theater, Sozialarbeit, linke Projekte, feministische Bildung, queere Schutzräume. Wer offene Räume kaputtspart, schafft Platz für autoritäre Fantasien. Was bleibt, ist Beton. Und Schweigen.
Kunst ist kein Sahnehäubchen nach der Wirtschaftsförderung. Sie ist Teilhabe. Sie ist Bildung. Sie ist Widerstand. Wer sie kaputtspart, kalkuliert mit dem Verlust von Öffentlichkeit. Dass Aktivist*innen das leerstehende Schauspielhaus besetzten, ist da nicht nur nachvollziehbar – es ist notwendig. In einer Stadt, die sich nach außen als progressiv inszeniert, aber innen ihre Räume für Widerspruch verschließen lässt.
Kraftklub haben nicht nur ein Konzert gespielt. Sie haben Haltung gezeigt. Sie haben ein Schlaglicht auf die systematische Aushöhlung der kulturellen Infrastruktur geworfen. Und sie haben klargemacht: Die Straßen, die Bühnen, die Plätze – sie gehören uns. Sie gehören den Vielen. Nicht den Kürzungslisten in den Amtsstuben oder den Investorenphantasien aus den Hinterzimmern.