Die US-Regierung unter Donald Trump zieht die Schlinge um die freien Wissenschaften immer enger. Mit dem jüngsten Angriff auf die Harvard University eskaliert der Kulturkampf, den Trump seit Beginn seiner zweiten Amtszeit gegen liberale, kritische Bildungsinstitutionen führt. Ausländische Studierende sollen abgeschoben werden, Visa werden verweigert, angebliche Verbindungen zur Kommunistischen Partei Chinas konstruiert – und das alles unter dem Vorwand der nationalen Sicherheit und eines Kampfes gegen Antisemitismus. In Wirklichkeit erleben wir hier nichts anderes als autoritäre Repression, getarnt als Gesetzestreue.
Was in den USA geschieht, ist kein isoliertes Phänomen. Überall, wo rechte Regierungen an Einfluss gewinnen, greifen sie die Orte an, die ihre Ideologie infrage stellen: Hochschulen, Medien, Kunst- und Kulturbereiche. Harvard ist nicht nur irgendeine Universität – sie ist ein Symbol für internationalen Austausch, intellektuelle Freiheit, wissenschaftlichen Fortschritt. Und genau das macht sie zur Zielscheibe: Wer denkt, forscht, hinterfragt, passt nicht in das Weltbild eines autoritären Staates, der nur Ja-Sager duldet.
Die Maßnahmen der Heimatschutzministerin Kristi Noem sind keine administrative Entscheidung – sie sind politische Einschüchterung. Sie wollen ein Klima der Angst schaffen, in dem ausländische Studierende sich nicht mehr sicher fühlen. In dem Wissenschaftler:innen schweigen, statt zu forschen. In dem Opposition unmöglich wird, weil schon das falsche Wort im Chatverlauf zur Abschiebung führen kann.
Besonders perfide: Die Begründung, Harvard würde nicht genug gegen Antisemitismus unternehmen. Diese Aussage reiht sich ein in eine lange Reihe rechter Instrumentalisierungen jüdischen Lebens, um linke Bewegungen zu delegitimieren. Studierende, die sich solidarisch mit Palästina zeigen, werden pauschal als antisemitisch diffamiert. Jüdische Stimmen, die sich für Menschenrechte in Gaza einsetzen, werden ignoriert oder gleich mitverfolgt. Hier geht es nicht um den Schutz jüdischer Menschen, sondern um die Kontrolle über Diskurse.
Ein Viertel der Harvard-Studierenden kommt aus dem Ausland – für Trump ein Störfaktor. Statt diese Vielfalt als Stärke zu begreifen, wird sie als Bedrohung inszeniert. Besonders chinesische Studierende stehen im Visier: Ihnen wird eine Verbindung zur KPCh unterstellt, allein aufgrund ihrer Herkunft. Dass unter ihnen besonders viele Betroffene von politischer Repression in China sind, dass sie oft selbst emanzipatorische Ideen vertreten, wird geflissentlich übergangen. Diese Form der Kollektivverdächtigung ist rassistisch – und sie bedient das altbekannte Bild vom „feindlichen Anderen“, das in autoritären Ideologien so zentral ist.
Harvard klagt nun gegen die Regierung. Und das ist richtig so. Doch was auf dem Spiel steht, ist weit größer als das Schicksal einer einzelnen Institution. Es geht um die Frage, ob Bildung weiterhin ein Ort der Kritik, der Vielfalt und der internationalen Zusammenarbeit sein darf – oder ob sie zur verlängerten Werkbank nationalistischer Ideologie wird.
Wir sehen hier den Versuch, eine neue Normalität zu schaffen: Eine Welt, in der nur noch „linientreue“ Bildung erlaubt ist. Eine Welt, in der politische Gesinnung über Bildungszugang entscheidet. Eine Welt, in der Einwanderung und Wissenschaft nicht mehr zusammen gedacht werden dürfen.
Was jetzt zählt, ist internationale Solidarität. Mit den Studierenden, die um ihre Zukunft bangen. Mit den Wissenschaftler:innen, die ihre Arbeit riskieren. Mit allen, die sich dem autoritären Rollback widersetzen – in Harvard, in den USA und weltweit.