Georgien im Widerstand: Proteste gegen prorussische Regierung und das europäische Streben
In Georgien weiten sich die Proteste gegen die Entscheidung der Regierung unter der Führung der prorussischen Partei „Georgischer Traum“ aus, die Verhandlungen über einen EU-Beitritt bis 2028 auszusetzen. In der georgischen Hauptstadt Tiflis und weiteren Städten des Landes gingen zehntausende Menschen auf die Straße, um gegen diesen Schritt zu demonstrieren. Der Wunsch nach einer proeuropäischen Ausrichtung ist tief in der georgischen Bevölkerung verankert. Laut Umfragen unterstützen rund 80 Prozent der Georgier die Idee eines EU-Beitritts.
Europäische Ambitionen auf Eis gelegt
Die Entscheidung des georgischen Premierministers Irakli Kobachidse, die Gespräche mit der EU einzufrieren, wurde als gravierender Rückschlag für die europäische Integration des Landes angesehen. Die georgische Regierung argumentiert, dass der europäische Druck auf das Land in den letzten Jahren zu groß geworden sei. Insbesondere die Forderungen nach Demokratisierung und Menschenrechtsreformen wurden als ungerechtfertigte Einmischung in die Souveränität Georgiens abgelehnt. Im Gegensatz dazu werfen die Oppositionsparteien der Regierung vor, den EU-Beitrittsprozess absichtlich zu blockieren und damit die politische Zukunft des Landes zu gefährden.
Gewaltsame Auseinandersetzungen und internationale Kritik
Während der Proteste kam es immer wieder zu gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen Demonstranten und der Polizei. Die georgischen Sicherheitskräfte setzten Tränengas, Wasserwerfer und Gummigeschosse ein, um die Protestierenden auseinanderzutreiben. In den ersten beiden Nächten der Proteste wurden zahlreiche Menschen verletzt, und mehr als 60 Demonstranten wurden festgenommen. Auch Aktivisten und Journalisten, darunter bekannte Persönlichkeiten wie der georgische Dichter Zviad Ratiani, waren unter den Festgenommenen. Die internationale Gemeinschaft, darunter Frankreich, verurteilte das brutale Vorgehen der georgischen Polizei und forderte die Regierung auf, das Recht auf friedliche Proteste zu respektieren.
Solidarität von Präsidentin Surabischwili
Die georgische Präsidentin Salome Surabischwili, eine entschiedene Kritikerin der Regierungspolitik, äußerte ihre Solidarität mit den Protestierenden. In einer Fernsehansprache sprach sie sich klar gegen die Entscheidung der Regierung aus und forderte Neuwahlen. Sie bezeichnete die Aussetzung der EU-Beitrittsgespräche als einen „verfassungswidrigen Putsch“ und betonte, dass Georgien seinen proeuropäischen Kurs beibehalten müsse. Surabischwili versprach, die georgische Bevölkerung in ihrem Streben nach einem europäischen Zukunftskurs zu unterstützen.
Proteste breiten sich aus – auch die Akademische Gemeinschaft stellt sich gegen die Regierung
Die Proteste in Georgien beschränken sich nicht nur auf die Straßen, sondern finden auch Unterstützung in anderen gesellschaftlichen Bereichen. Zahlreiche Beamte und Mitarbeiter des Außen- sowie Verteidigungsministeriums haben sich öffentlich gegen die Entscheidung der Regierung gestellt. Besonders auffällig ist die Teilnahme von Universitäten und anderen Bildungseinrichtungen an den Protesten, was das Ausmaß des Widerstands verdeutlicht. In vielen georgischen Städten, darunter Batumi, Kutaissi und Gori, gab es ebenfalls groß angelegte Kundgebungen, die die Regierung zu einem Umdenken auffordern.
Der EU-Beitritt als zentrales Ziel
Der EU-Beitritt bleibt trotz der aktuellen Krise ein zentrales politisches Ziel für Georgien. Der Beitrittsprozess war seit 2014 auf einem positiven Kurs, und die offizielle Ernennung Georgiens zum EU-Beitrittskandidaten im Dezember 2023 wurde als großer Erfolg gefeiert. Doch die politische Entwicklung unter der prorussischen Regierung hat das Vertrauen in eine europäische Zukunft des Landes erschüttert. Während die Regierung versucht, sich stärker Russland zuzuwenden, wollen die Protestierenden nicht aufgeben, was sie als georgische Bestimmung für eine europäische Orientierung ansehen.
Internationale Reaktionen und die Zukunft Georgiens
Internationale Beobachter äußern zunehmend Besorgnis über die politische Entwicklung in Georgien. Die EU hat ihre Unterstützung für den Beitrittsprozess vorerst eingefroren, und die USA sowie zahlreiche europäische Staaten haben wiederholt den autoritären Kurs der georgischen Regierung kritisiert. Die Fragen, die sich jetzt stellen, sind, ob die georgische Regierung weiterhin auf ihrer Linie beharrt oder ob der Druck der Bevölkerung und der internationalen Gemeinschaft sie zu einer Kurskorrektur zwingen wird.
Die Zukunft Georgiens hängt entscheidend von der politischen Weiterentwicklung und dem Ausgang der laufenden Proteste ab. Der Widerstand gegen die Regierung zeigt, dass viele Georgier ihre europäische Orientierung nicht aufgeben wollen, auch wenn die Regierung weiterhin auf Russland setzt. In den kommenden Wochen wird sich zeigen, ob der Druck der Bevölkerung und der internationalen Partner ausreicht, um Georgien zurück auf den proeuropäischen Kurs zu bringen.