Hasser in Uniform: Razzia bei Polizisten wegen NS-Chats
Niedersachsen, sechs Uhr morgens. Es klingelt. Nicht der Wecker. Nicht die Nachbarin. Die eigenen Kollegen. Acht Polizeibeamte stehen plötzlich vor den Wohnungen von acht anderen Beamten – nicht, um zu helfen, sondern um zu durchsuchen. Sie nehmen Handys mit, sichern Chatverläufe, suchen nach Beweisen für das, was niemand in einer Polizeiuniform je tun sollte: rassistische Hetze, NS-Verharmlosung, Spott über Menschen mit Behinderungen. Alles geteilt in einer Gruppe, die sich aus der gemeinsamen Zeit an der Polizeiakademie Oldenburg kennt – einer Schule, die eigentlich für Recht und Ordnung stehen sollte, nicht für Hass und Verachtung.
Die Chatgruppe bestand aus zwölf Männern, ausschließlich männlich, ausschließlich rassistisch. Drei von ihnen arbeiten in der Polizeidirektion Oldenburg, je zwei in Osnabrück, Braunschweig, Lüneburg und der Zentralen Polizeidirektion. Einer hat die Akademie nicht bestanden. Ein anderer ist bereits entlassen. Die restlichen? Noch immer im Dienst. Noch immer mit Waffe, mit Macht, mit dem Vertrauen der Öffentlichkeit, das sie längst verspielt haben. Die Chats stammen aus dem Jahr 2019, als sie dachten, sie seien unter sich, als sie meinten, ihre Witze über Menschenwürde, ihre Verherrlichung des Nationalsozialismus, ihre abfälligen Bilder würden nie ans Licht kommen. Doch jetzt stehen sie da, bloßgestellt, während Innenministerin Daniela Behrens betont: “Wer die Menschenwürde nicht achtet, hat keinen Platz in der Polizei Niedersachsens.“ Die Frage, die sich aufdrängt, ist nicht, ob sie bestraft werden, sondern: Warum dauerte es so lange, bis jemand hingesehen hat?
Die 24.000 Beamten in Niedersachsen, die Mehrheit von ihnen rechtschaffen, wie Behrens sagt, müssen nun mit dem Schaden leben, den eine Handvoll ihrer Kollegen angerichtet hat. Doch ist das wirklich nur ein Einzelfall? In Hamburg wurden im März dieses Jahres fünfzehn Polizisten wegen rassistischer Chats durchsucht. In Frankfurt verloren Beamte 2024 ihren Status wegen rechtsextremer Umtriebe. Und eine Dozentin der Polizeihochschule Münster warnte kürzlich im SPIEGEL, dass Diversity-Workshops allein das Problem nicht lösen werden. Die Muster wiederholen sich. Die Frage bleibt: Wie tief sitzt der Rassismus in den eigenen Reihen?
Die Handys sind beschlagnahmt. Die Ermittlungen laufen. Doch was passiert, wenn die Beweise auf dem Tisch liegen? Werden die Verantwortlichen wirklich zur Rechenschaft gezogen, oder wird es bei ein paar Disziplinarverfahren bleiben? Werden sie entlassen, oder darf man weiter wegschauen? Eines ist klar: Wer in Uniform Hass verbreitet, hat sein Amt verwirkt. Doch reicht es, ein paar schwarze Schafe zu opfern, oder braucht es einen Systemcheck von Grund auf?
Die Polizei ist kein neutraler Akteur. Sie ist Macht. Sie ist Gewaltmonopol. Sie ist Vertrauen. Doch was bleibt von diesem Vertrauen, wenn diejenigen, die für Sicherheit sorgen sollen, selbst zu Tätern werden? Wenn die Institution, die uns schützen soll, von innen heraus verfault? Die Chatprotokolle werden ausgewertet. Die Öffentlichkeit wartet. Und die nächste Razzia? Sie kommt bestimmt. Bis dahin bleibt die unangenehme Wahrheit: Manche derer, die uns beschützen sollen, brauchen selbst Schutz – vor sich selbst.