Chemnitz, Während das Kulturhauptstadtjahr mit großen Worten und glänzenden Broschüren gefeiert wird, bröckelt die kulturelle Realität der Stadt – ganz wörtlich. Das Schauspielhaus Chemnitz, ein bedeutender Bau der Ostmoderne, steht seit vier Jahren leer und verkommt zusehends. Die geplante Sanierung? Gestrichen. Der Grund? Leere Kassen. Der politische Wille? Offenbar ebenso abwesend wie das Budget.
Doch vergangenes Wochenende passierte, was passieren musste: Ein Bündnis junger Aktivist*innen besetzte das Schauspielhaus. Nicht aus Jux, sondern aus Notwendigkeit. Gegen Kürzungen. Gegen Ignoranz. Gegen das Vergessen.
Was hier passiert, ist kein lokales Versagen – es ist Ausdruck einer strukturellen Kulturverachtung. Wenn Kommunen sparen müssen, wird zuerst bei dem gekürzt, was emanzipiert, was hinterfragt, was Räume für andere Lebensrealitäten schafft: Kultur, Bildung, Soziales. Besonders betroffen? Projekte, die feministisch, antifaschistisch, queerinklusiv oder migrantisch geprägt sind. Die Arbeit, die dort geleistet wird, ist systemrelevant – aber eben nicht systemkompatibel. Und also verzichtbar?
Dass das Chemnitzer Schauspielhaus ein Denkmal der Ostmoderne ist, interessiert die Entscheidungsträger*innen offenbar wenig. Dabei erzählt dieses Gebäude nicht nur Geschichte – es ist Teil einer kollektiven ostdeutschen Erinnerung, eines kulturellen Erbes, das konsequent marginalisiert wird. Wer heute von gesamtdeutscher Erinnerungspolitik redet, aber DDR-Kulturbauten vergammeln lässt, betreibt symbolischen Abriss.
Die Protestierenden haben gezeigt, wie lebendig dieses Haus sein könnte. Mit Lesungen, Performances, offenen Plenen. Sie haben das gemacht, was Politik versäumt: Räume geöffnet. Stimmen hörbar gemacht. Erinnerung aktiviert. Und das mit nichts als Mut, Kreativität und Solidarität.
Das Bündnis bleibt – und das muss es auch. Denn was in Chemnitz passiert, ist exemplarisch. Kultur darf nicht zur Kulisse für PR-Kampagnen verkommen, während reale Räume verfallen. Wer sich Kultur leisten will, muss sich politische Klarheit leisten: Kultur ist kein dekorativer Luxus, sondern Fundament demokratischer Gesellschaft.