Ein französisches Gericht hat Marine Le Pen der Veruntreuung von EU-Geldern für schuldig befunden. Das Urteil: vier Jahre Haft, eine elektronische Fußfessel, eine hohe Geldstrafe – und das vielleicht schwerwiegendste für ihre politische Zukunft: Ein fünfjähriges Verbot, für politische Ämter zu kandidieren. Doch anstatt sich der Verantwortung zu stellen, inszeniert sich Le Pen als Opfer und ruft zum Kampf gegen eine angebliche politische „Hexenjagd“ auf.
Was hier passiert, ist bezeichnend für den Umgang der extremen Rechten mit der Realität: Statt sich mit den Konsequenzen ihrer Taten auseinanderzusetzen, greifen sie zur wohlbekannten Strategie des rechten Märtyrermythos. Le Pen und ihre Unterstützer, darunter Donald Trump, Elon Musk und Viktor Orbán, schreien Zensur und politische Verfolgung, weil eine Politikerin für Korruption zur Rechenschaft gezogen wird. Die gleiche Politikerin, die jahrelang gegen vermeintliche „kriminelle Migranten“ und „Linke, die den Rechtsstaat zerstören“, gehetzt hat.
Die Affäre um Le Pen zeigt, dass Korruption in den Reihen der extremen Rechten kein Ausrutscher, sondern ein System ist. Die Partei Rassemblement National (ehemals Front National) wurde nicht nur von Le Pens Vater Jean-Marie auf einem Fundament aus Rassismus, Antisemitismus und autoritären Fantasien aufgebaut – sie hat über Jahrzehnte hinweg bewiesen, dass ihre Versprechen von „nationaler Erneuerung“ nicht mehr als ein Deckmantel für Machtgier und Selbstbereicherung sind.
Jetzt, wo die Justiz zuschlägt, fällt die Fassade. Wer einen Rechtsstaat fordert, muss auch bereit sein, sich ihm zu unterwerfen. Doch anstatt die Konsequenzen zu akzeptieren, skandieren Le Pen und ihre Verbündeten, dass das Urteil eine „Hinrichtung der französischen Demokratie“ sei. Ironie des Schicksals: Die Demokratie wird nicht durch eine gerechte Verurteilung bedroht, sondern durch jene, die das Rechtssystem nur dann anerkennen, wenn es in ihrem Sinne funktioniert.
Die extreme Rechte inszeniert sich als Stimme des Volkes, doch in Wahrheit repräsentiert sie eine kleine Elite, die von Lügen und Angst lebt. Sie hetzen gegen „die da oben“, während sie selbst tief in korrupten Netzwerken stecken. Le Pens Fall ist nicht der erste und wird nicht der letzte sein. Der entscheidende Unterschied liegt darin, ob wir sie damit durchkommen lassen.