Vorab Hinweis:
Bei diesem Text handelt es sich um einen Meinungsbeitrag. Er basiert auf einer klar antifaschistischen, antirassistischen und feministischen Haltung und stellt keine neutrale Berichterstattung dar. Die Inhalte beruhen auf öffentlich zugänglichen Informationen, politischer Analyse und journalistischer Einordnung – nicht auf eigener Vor-Ort-Recherche.
Während Antisemitismus, Rassismus und Faschismus in Europa wieder salonfähig werden, posieren vier Jugendliche aus Görlitz vor dem Eingangstor von Auschwitz-Birkenau mit dem White-Power-Gruß – einem Symbol weißer Vorherrschaft. Es ist nicht nur ein pietätloser Akt an einem der symbolträchtigsten Orte faschistischer Gewalt, sondern ein alarmierendes Zeichen: Die völkische Ideologie lebt – nicht in dunklen Kellern, sondern auf Schulhöfen, Instagram-Feeds und Bildungsfahrten.
Ein Symbol des Hasses – mitten im Gedächtnisort des Grauens
Die sogenannte „OK“-Handgeste, bei der Daumen und Zeigefinger einen Kreis bilden und die restlichen Finger gespreizt sind, gilt seit Jahren in rechten Kreisen als codiertes Symbol für „White Power“. Dass sie auf dem Gelände des ehemaligen deutschen Vernichtungslagers Auschwitz gezeigt wird, ist kein Zufall – sondern bewusste Provokation und ideologische Identifikation. Auschwitz steht für die industrielle Ermordung von über einer Million Menschen – der Großteil von ihnen Jüdinnen und Juden. Diese Tat ist kein „Ausrutscher“, sie ist ein politisches Statement. Wer das als kindischen Streich verharmlost, bagatellisiert den historischen Faschismus – und den heutigen.
Rechter Alltag – auch an Schulen
Die Täter besuchen die Scultetus-Oberschule in Görlitz. Laut Landesamt für Schule und Bildung seien dort „keine weiteren rechtsextremen Vorfälle bekannt“. Das wirft weniger ein gutes Licht auf die Schule, sondern eher ein schlechtes auf deren Wahrnehmung. Antisemitismus, Rassismus, Queerfeindlichkeit und Frauenverachtung sind keine isolierten Phänomene, sondern strukturelle Bestandteile des deutschen Alltags. Auch an Schulen. Das Wegsehen ist Teil des Problems.
Dass die Jugendlichen lediglich einen Schulleiterverweis und Sozialstunden in einer Behindertenwerkstatt ableisten sollen, ist ein weiteres Symptom politischer Verdrängung. Als ob man Faschismus mit etwas „Sozialem“ therapieren könne. Was es bräuchte, ist eine politische Bildung, die nicht neutral bleibt – sondern antifaschistisch. Eine, die Rassismus nicht „ausdiskutiert“, sondern ihn als Machtverhältnis analysiert und zurückdrängt. Eine, die erklärt, dass Faschismus immer auch die gewaltsame Durchsetzung patriarchaler, rassistischer und nationalistischer Ordnungen ist – gegen alle, die davon ausgeschlossen werden: Jüdinnen und Juden Migrantinnen, Queers, Behinderte, Linke.
Faschismus ist keine Meinung – sondern ein Angriff
Diese Tat reiht sich ein in eine lange Kette von Provokationen: Neonazis, die Anne Franks Todesort mit „Ausländer raus“-Rufen entweihen. Schüler, die auf Schulhöfen rassistische Parolen grölen. Rechte Influencer, die im Netz die Shoah relativieren oder trans Menschen zum Feindbild stilisieren. Die neue Rechte arbeitet mit alter Methode: Banalisierung, Provokation, Normalisierung. Ihr Ziel ist nicht die Debatte – es ist die kulturelle und politische Hegemonie. Was heute mit einem White-Power-Gruß beginnt, endet morgen in Gewalt, Morden, Pogromen. Das ist nicht überzogen, das ist historische Erfahrung – von Rostock-Lichtenhagen bis Halle.
Rechte Männlichkeit: Gewalt als Identität
Dabei ist auffällig, wie sehr solche Taten von einer toxischen, autoritären Männlichkeit getragen werden. Der White-Power-Gruß ist nicht nur ein Symbol rassistischer Ideologie, sondern auch Ausdruck eines patriarchalen Selbstbilds: stark, unnachgiebig, gewaltbereit. Faschismus braucht diese Männlichkeitsbilder – und reproduziert sie zugleich. Wer sich dem entgegenstellt – queere Menschen, Frauen*, trans Aktivist*innen – wird Ziel der rechten Hetze. Es ist kein Zufall, dass die gleiche Ideologie, die Auschwitz verhöhnt, auch gegen trans Menschen hetzt. Denn wer Gleichwertigkeit verachtet, hasst alle, die patriarchale und nationale Grenzen in Frage stellen.
Antifaschismus heißt: Keine Bühne für Nazis – nirgendwo
Wir brauchen keine „Einsicht“ von Täter*innen, sondern Konsequenz. Keine Sozialstunden, sondern klare antifaschistische Kante – auch und gerade in der Bildungspolitik. Auschwitz darf kein Ort der Selfie-Provokation sein, sondern muss Mahnmal bleiben. Dazu braucht es eine klare Haltung – gegen rechts, gegen Rassismus, gegen die Normalisierung des Faschismus.
Antifaschismus ist keine historische Pflichtübung. Er ist das Überlebensprogramm der Demokratie. Und das heißt: niemals neutral sein, wenn Neonazis posieren – schon gar nicht in Auschwitz.