Es hat lange gedauert – viel zu lange –, bis es zu diesen Urteilen kam. Im Berufungsprozess wurden die Neonazis Sebastian T. und Tilo P. nun endlich zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt. Ihre Taten, Brandstiftungen auf die Autos des Linken-Politikers Ferat Koçak und des Buchhändlers Heinz Ostermann, wurden nach jahrelangem Hin und Her klar als das benannt, was sie sind: politische Straftaten, motiviert durch rechtsextreme Ideologie.
Das Berliner Landgericht hob mit seinem Urteil den Freispruch aus der ersten Instanz auf und setzte damit ein Zeichen – wenn auch viel zu spät. Richterin Susann Wettley betonte, dass die rechte Gesinnung der Angeklagten zentral für ihre Verbrechen war. Doch während die Urteile zunächst wie ein Erfolg im Kampf gegen rechten Terror wirken mögen, ist das eigentliche Problem damit keineswegs gelöst.
Die Täter und ihre Taten
Sebastian T., ehemaliger NPD-Kader und einschlägig vorbestrafter Neonazi, erhielt eine Strafe von drei Jahren und sechs Monaten. Tilo P., Ex-AfD-Politiker, wurde zu zwei Jahren und zehn Monaten verurteilt. Beide hatten nicht nur die Brandstiftungen begangen, sondern auch Morddrohungen, Sachbeschädigungen und Ausspähaktionen gegen politische Gegner organisiert. Trotzdem bleiben sie bis zur Rechtskraft des Urteils auf freiem Fuß – ein weiterer Schlag ins Gesicht der Betroffenen.
Wie viele Indizien und Beweise braucht es eigentlich, damit diese Täter endlich aus dem Verkehr gezogen werden? Abgehörte Telefonate, Aussagen, intensive Ausspähaktionen – die Beweislage ist erdrückend. Und doch dauert es Jahre, bis rechte Täter zur Rechenschaft gezogen werden.
Ein System, das die Betroffenen im Stich lässt
Während die Neonazis jahrelang frei herumlaufen konnten, kämpfen die Opfer bis heute mit den Folgen der Anschläge. Ferat Koçak, dessen Auto direkt vor dem Haus seiner Eltern angezündet wurde, schilderte im Prozess eindrücklich, wie sehr die Tat sein Leben zerstört hat. Seine Eltern hätten in dieser Nacht sterben können, das Trauma dieser Erfahrung prägt die Familie bis heute. Seine Mutter erlitt kurze Zeit später einen Herzinfarkt – eine direkte Folge der Angst und Belastung.
Koçaks Aussage „Ich bin ein Gefangener dieser Nacht“ zeigt, was rechte Gewalt anrichtet: Sie nimmt den Betroffenen nicht nur Besitz, sondern auch die Sicherheit und den Glauben daran, dass dieses System sie schützt.
Der politische Kontext: rechte Netzwerke und staatliches Versagen
Dieser Prozess ist kein Einzelfall. Er steht exemplarisch für die Verflechtung von rechtsextremen Netzwerken, die von AfD bis NPD reichen, und einem Staat, der immer wieder blind gegenüber rechter Gewalt ist. Dass Tilo P. einst Teil der AfD war, ist kein Zufall. Die Brandstiftungen, die Überwachung und Bedrohungen waren strategisch geplant – gezielte Angriffe auf politische Gegner, um sie einzuschüchtern und zu vernichten.
Gleichzeitig muss man sich fragen, warum es so lange gedauert hat, bis diese Täter verurteilt wurden. Warum mussten die Opfer jahrelang kämpfen, bis ihre Stimmen Gehör fanden? Und warum bleiben die Täter trotz der klaren Beweislage auf freiem Fuß? Es ist ein Muster: Rechte Täter können sich viel zu oft sicher fühlen, während die Betroffenen alleine gelassen werden.
Der Kampf geht weiter
Die Verurteilungen sind ein Teilerfolg, aber sie reichen nicht. Solange rechte Gewalt immer wieder relativiert, verharmlost oder verschleppt wird, bleiben solche Prozesse ein Tropfen auf den heißen Stein. Es braucht nicht nur konsequentere Strafen, sondern auch den politischen Willen, rechten Terror und seine Netzwerke endgültig zu zerschlagen.Nazis verstehen keine Appelle, keine Debatten und keine leeren Worte. Sie verstehen nur Widerstand. Und dieser Prozess zeigt einmal mehr, warum es ihn braucht: Antifaschismus ist kein Hobby, sondern bitter notwendiger Selbstschutz.