Die AfD sitzt noch in Berlin-Reinickendorf, aber die Stühle unter dem Parteiapparat wackeln gehörig. Am Landgericht Berlin verhandelte Richter Burkhard Niebisch heute über die Räumungsklage gegen die Bundeszentrale der Partei. Die Quercus Grund GmbH, Vermieterin des Gebäudes, will die Rechtsextremen so schnell wie möglich loswerden. Urteil fällt am 26. September.
Der Ton im Saal war alles andere als nüchtern. Lukas Hufnagl, Geschäftsführer der Vermietergesellschaft, warf dem AfD-Vize Kay Gottschalk offen Korruption und Einschüchterungsversuche vor. Schmiergeldforderungen, Drohanrufe, Gerüchte über Mossad-Verbindungen – das ganze Arsenal an Schmutz wurde hier aufgetischt. Gottschalk konterte mit seiner bekannten Gelassenheits-Maske: »Ich bin tiefenentspannt.« Tiefenentspannt, während der Richter festhielt, dass die AfD klar gegen Mietverträge verstoßen hat.
Die Wahlparty, die zum Eigentor wurde
Am 23. Februar verwandelte die Partei das Gelände am Eichhorster Weg in einen blau erleuchteten Wahlparty-Tempel. Über mehrere Tage waren Bühnen, Scheinwerfer und Plakate aufgebaut worden – obwohl die Mietverträge Werbung und Veranstaltungen ausdrücklich untersagen. Dass Hufnagl die Show im österreichischen Fernsehen live mitverfolgen konnte, machte die Blamage für die Partei komplett. Ein klarer Vertragsbruch, stellte der Richter fest.
Für Hufnagl war das Maß voll: fristlose Kündigung. Dass er betont, »kein grundsätzliches Problem mit der AfD« zu haben, wirkt wie eine juristische Absicherung. Im Gerichtssaal zeigte er, dass er längst mehr erlebt hat als ein paar falsch gehängte Plakate.
Gewaltfantasien und Drohkulissen
»Es sei kein Problem, zwei, drei Busse mit strammen Jungs anzukarren« – so schilderte Hufnagl eine Drohung aus AfD-Kreisen. Eine solche Aussage ist mehr als Stammtischprotzerei: Sie passt in eine Partei, die immer wieder mit völkischen Netzwerken, rechtsextremen Burschenschaften und Straßengewalt liebäugelt. Für die Nachbarschaft am Eichhorster Weg bedeutet das schlicht Angst. Hufnagl berichtete, seine Frau traue sich kaum noch ans Telefon, weil Drohanrufe seit Monaten zum Alltag gehören.
Dazu kommen Verschwörungsmythen, die AfD-nahe Kreise streuen: Der Vermieter sei angeblich ein Mossad-Agent, wolle in seinem Gebäude ein Flüchtlingsheim eröffnen – ein durchsichtiges Manöver, um ihn öffentlich zu diskreditieren und unter Druck zu setzen.
Richter zwischen Paragrafen und Politik
Richter Niebisch bemühte sich, den Fall auf der juristischen Ebene zu halten. Die Einstufung der AfD als »gesichert rechtsextrem« durch den Verfassungsschutz sei für die Mietfrage unerheblich, betonte er. Doch er verglich die Situation mit einem Mieter, der seinem Vermieter die Treppe hinunterstößt. Eine Abmahnung sei in solch einem Fall überflüssig – auch hier könne der sofortige Rauswurf rechtens sein.
Das zeigt, wie ernst der Richter die Lage einschätzt. Wenn eine Partei ihr Hauptquartier für illegale Events nutzt, den Vermieter belügt und Drohungen verbreiten lässt, ist der Vergleich mit körperlicher Gewalt nicht weit hergeholt.
Alte Bekannte: AfD und ihre Immobilienprobleme
Es ist nicht das erste Mal, dass die AfD in Berlin Ärger mit Vermietern hat. Schon 2017 mussten Wahlkampfpartys wegen verweigerter Räume abgesagt werden, immer wieder scheitern Pläne an Protesten oder an Verträgen, die bewusst keine rechte Propaganda dulden. Die Bundeszentrale in Reinickendorf war ein seltener »Erfolg« für die Partei – und selbst hier hat sie es geschafft, sich mit ihrem Verhalten ins Aus zu manövrieren.
Fest steht: Früher oder später braucht die AfD neue Räume. Gottschalk spricht von Kauf oder Neubau, am liebsten zentraler gelegen. Doch angesichts der gesellschaftlichen Isolation der Partei dürfte auch dieses Vorhaben schwer werden. Kaum jemand in Berlin will eine Zentrale der extremen Rechten in seiner Nachbarschaft.
Mehr als eine Vertragsfrage
Für Hufnagl ist die Sache klar: »Dass Sie Ihre Sachen nehmen und gehen.« Für Reinickendorf wäre das mehr als nur die Vollstreckung eines Mietvertrags. Es wäre eine Atempause, ein Stück Befreiung.
Denn egal, ob die AfD kauft, baut oder mietet: Jede Zentrale dieser Partei ist ein Knotenpunkt für Hetze, organisiert Kampagnen gegen Migrantinnen, Queers und politische Gegnerinnen. Der juristische Streit zeigt: Wer ihnen Räume gibt, bekommt nicht einfach nur Miete – sondern auch Bedrohungen, Vertragsbrüche und eine Nachbarschaft in Angst.
Die Entscheidung fällt Ende September. Bis dahin bleibt die AfD offiziell Mieterin. Doch politisch ist sie in Reinickendorf längst untragbar.