Reconquista Germanica: Die rechte Trollarmee im Netz
Damals wie heute: Neo-faschistische Netzwerke im Internet

In den letzten Jahren sind rechte Netzwerke immer geschickter darin geworden, soziale Medien gezielt für ihre Propaganda zu nutzen. Eines der bekanntesten Beispiele dafür war „Reconquista Germanica“, eine streng hierarchisch organisierte Trollarmee, die über den Gaming-Chat-Dienst Discord koordiniert wurde. Ziel war es, rechte Narrative in die sozialen Netzwerke einzuschleusen, öffentliche Debatten gezielt zu manipulieren und politische Gegner*innen zu diffamieren.
Militärische Strukturen für digitale Propaganda
Trotz der Selbstdarstellung als „satirisches Internet-Projekt“ folgte „Reconquista Germanica“ einer strengen Hierarchie, die an militärische Strukturen erinnerte. Neue Mitglieder mussten sich durch verschiedene Ränge hocharbeiten, wobei ihre „charakterliche Eignung“ geprüft wurde. Unter anderem wurden Verlässlichkeit, politisches Engagement und ideologische Überzeugung bewertet.
Zentrale Steuerungsinstrumente waren die sogenannten „Chefappelle“, in denen Aufgaben verteilt wurden. Diese reichten von der massenhaften Verbreitung rechter Memes über das gezielte Kommentieren von YouTube-Videos bis hin zu organisierten Shitstorms gegen politische Gegner*innen. Die Strategie war klar: Soziale Netzwerke sollten von rechter Propaganda durchzogen werden, während kritische Stimmen gezielt unterdrückt wurden.
Die Tarnung als „harmlose Gamer“
Ein besonders perfider Aspekt war die Tarnung als harmlose Gaming-Community. Die Gruppierung nutzte die Ästhetik von Online-Rollenspielen und LARP-Szenen, um sich nach außen als unpolitisches Projekt darzustellen. Doch in Wirklichkeit ging es um weit mehr: Die gezielte Beeinflussung öffentlicher Diskurse, insbesondere vor Wahlen.
Der Trick dabei: Wer die Gruppierung kritisierte, konnte leicht als überempfindlich oder humorlos dargestellt werden. Der Kampfbegriff „politische Korrektheit“ wurde genutzt, um legitime Kritik ins Lächerliche zu ziehen. Gleichzeitig gab es eine klare ideologische Agenda, die sich nicht nur gegen Migrantinnen und politische Linke richtete, sondern auch gegen Journalistinnen, die rechte Strukturen aufdeckten.
Von Reconquista Germanica zu Reconquista Internet
Nachdem Reconquista Germanica öffentlich enttarnt und auf Discord gesperrt wurde, versuchte sich das Netzwerk neu zu formieren. Doch gleichzeitig entstand eine Gegenbewegung: Jan Böhmermann initiierte mit „Reconquista Internet“ eine Plattform, die demokratische Werte verteidigen sollte. Ziel war es, rechten Hassbotschaften positive Inhalte entgegenzusetzen und Solidarität gegen rechte Netzangriffe zu organisieren.
Dieser Konflikt verdeutlicht, dass der Kampf um die öffentliche Meinung längst nicht mehr nur auf der Straße oder in traditionellen Medien stattfindet, sondern vor allem in digitalen Räumen. Rechte Akteure nutzen Plattformen wie YouTube, Twitter (nicht “X”) oder Telegram systematisch für ihre Zwecke – und setzen dabei auf eine Mischung aus gezielter Desinformation, Meme-Kultur und digitaler Gewalt.
Und nun?
Die Aufdeckung von „Reconquista Germanica“ war ein wichtiger Schritt, um rechte Netzwerke zu entlarven. Doch das Problem bleibt bestehen: Rechte Trollarmeen sind flexibel, passen sich neuen Plattformen an und tarnen sich immer geschickter.
Um dem etwas entgegenzusetzen, braucht es mehr als nur Recherchen und Enthüllungen. Antifaschistische Gegenstrategien müssen ebenfalls digital wirksam sein – durch eigene Netzwerke, durch gezielte Gegenkampagnen und durch den Aufbau solidarischer Communitys. Der Kampf gegen rechte Hetze beginnt dort, wo sie ihre größte Wirkung entfaltet: in den sozialen Medien.