Vorbestraft, bewaffnet, unbehelligt
Staatliche Blindheit, patriarchale Gewalt, tödliche Ignoranz
Ein Mann tötet ein Ehepaar und dessen 16-jährigen Sohn. Der Tatort: ein Haus in Weitefeld, Westerwald. Der mutmaßliche Täter: Alexander M., 61 Jahre alt – kein Unbekannter. 2011 wurde er bereits wegen versuchten Totschlags an seiner damaligen Ehefrau verurteilt. Später erneut – wegen Bedrohung. Beide Male: Strafen, beide Male: kein Schutz für die betroffene Frau. Jetzt sind drei Menschen tot.
Die Fakten sind brutal. Und doch ist es eine Geschichte, wie sie sich in Deutschland immer wieder abspielt – und dabei jedes Mal wie ein Einzelfall behandelt wird.
Vier Jahre und neun Monate Gefängnis. So lautete das Urteil gegen M. im Jahr 2011. Die Anklage: versuchter Totschlag. Das Opfer: seine damalige Ehefrau. 2018 erneut eine Verurteilung – diesmal „nur“ wegen Bedrohung. Sechs Monate auf Bewährung. Ein Mann, der eine Frau fast tötet, sie später erneut bedroht – und dennoch in Freiheit bleibt. Ein bekanntes Muster im Umgang mit partnerschaftlicher Gewalt: Bagatellisieren, Abwarten, Wegsehen.
Wären die drei Menschen heute noch am Leben, wenn Justiz und Polizei früher konsequenter gehandelt hätten? Diese Frage stellt sich nicht zum ersten Mal. Und sie bleibt unbeantwortet – wie so viele nach patriarchaler Gewalt.
Statistisch gesehen ist der gefährlichste Ort für eine Frau in Deutschland nicht die dunkle Straße, sondern das eigene Zuhause. Die Täter: fast immer Männer, oft Partner oder Ex-Partner. Und immer wieder sind es Männer, die bereits polizeibekannt waren. Männer, bei denen man „nichts tun konnte“. Männer, die am Ende ganze Familien auslöschen.
Dass Alexander M. nun per Öffentlichkeitsfahndung gesucht wird, ist nur das letzte Kapitel einer Geschichte staatlicher Gleichgültigkeit. Über 200 Hinweise sind eingegangen – und trotzdem ist der Mann auf der Flucht. Währenddessen stirbt alle zwei bis drei Tage in Deutschland eine Frau durch die Gewalt eines Mannes. Und immer wieder tut man überrascht.
Diese Tat ist kein Zufall. Sie ist Ausdruck eines Systems, das patriarchale Gewalt nicht ernst nimmt. Einer Strafjustiz, die Täter schützt und Betroffene im Stich lässt. Einer Öffentlichkeit, die solche Taten als „Familiendrama“ verniedlicht. Einer Polizei, die gefährliche Männer zu oft unterschätzt.
Und während Politiker*innen über „Clankriminalität“ fantasieren oder Geflüchtete zum Sicherheitsproblem stilisieren, leben Frauen und Kinder in Deutschland in permanenter Bedrohung – durch deutsche Männer, vorbestraft, gewalttätig, unbehelligt.
Es braucht kein weiteres Gedenken, keine Betroffenheit, keine Schweigeminuten. Es braucht Schutzräume, konsequente Strafverfolgung, und endlich eine politische Debatte, die patriarchale Gewalt als das benennt, was sie ist: struktureller Terror gegen Frauen. Und eine Justiz, die aufhört, Täter zu pampern.